Die Weltpolitik rückt von G8 zu G7, Bildungskritiker fordern im Gymnasium von G8 “zurück” zum neuen G9 zu gehen...
Das in 2014 angestrebte und auch zulässige Volksbegehren der Freien Wähler setzt die bayerische Bildungspolitik nun auch unter Druck, die seit Jahren geäußerte Kritik zum verkürzten Gymnasium mit seinen vielen Kosmetikmaßnahmen zu reagieren. Das Kultusministerium hält sich zurück – Strategie um später die Schelte abwehren zu können? Die Philologen legen einen Entwurf vor, Seehofer nimmt es nun letztendlich in die Hand. Noch lässt er den Ausgang völlig offen, falls konservative Kräfte in seinen Reihen sich ihm doch widersetzen, aber klar stellt er, dass er dann “klare Vorgaben” machen wird, um den Schulen die Verantwortung abzunehmen.
Grundsätzlich positiv finden wir erst mal, dass sich nun Menschen mit dem Konzept auseinander setzen, die wohl tatsächlich aus der Praxis kommen, also wissen, wie das Leben im Gymnasium aussieht. Ein Konzept aus der Praxis, statt vom fernen Schreibtisch für die Praxis. Doch der Haken an dieser Sachlage ist, dass diese Praktiker evtl. betriebsblind sind – nur das Gymnasium sehen, das es in ihrer Welt gibt, also Impulse von außen keinen Einfluss haben und somit wieder “nur” Altes neu aufbereitet angeboten wird.
Es soll ein neues G9 geben – die von den Freien Wählern geforderte Zweigleisigkeit von G8 und G9 wird von den Philologen abgelehnt. Trotzdem soll es die Möglichkeit für manche Schüler geben, das Abitur doch nach 8 Jahren zu absolvieren. Sie dürfen dann die 10. Klasse überspringen.
Und hier setzt unser Hauptkritikpunkt an! Homogenität gibt es nicht und Gleichschritt gehört zum Militär! Bis zur 9. Klasse sollen also alle Schüler im Gymnasium wieder im Gleichschritt durch die Jahre und den vorgeschriebenen Stoff marschieren. Nehmen wir mal das Beispiel von “Max” (Figur erfunden): Max denkt schnell, fasst rasch auf und kann Zusammenhänge herstellen. In der Grundschule zählte er zu den schnellen und sehr guten Schülern, war sozial auch nicht auffällig, der Weg zum Gymnasium war ohne Elterliche Anstrengung möglich. Auch in der Unterstufe des Gymnasiums kommt er leicht mit und merkt immer mehr, dass er schneller versteht als seine Mitschüler und fühlt sich immer öfter durch deren Fragen und Wiederholungen ausgebremst. Seine Fragen werden nicht beantwortet, weil es das Mittelfeld der Klasse überfordern würde. Nun ist Max aber so “flexibel” und handhabbar, dass er sich anpasst und zu Hause seinen Wissenshunger stillt. Er läuft im Gleichschritt der Gauß’schen Verteilung mit und drosselt sein Tempo, ohne auffällig zu werden. Max hält es bis zur 9. Klasse aus, dann darf er die 10. Klasse überspringen. Das Konzept hält extra Unterstützung für ihn bereit, damit er diesen Sprung gut schaffen kann. Max macht mit Leichtigkeit ein sehr gutes Abitur und verlässt das Gymnasium nach 12 Jahren statt nach 13. Das ist wohl das “gemeine Musterkind” des Philologenverbandes.
Was aber passiert mit einem Moritz, der den Gleichschritt nicht mitgeht? Der aufmüpfig auf sein Tempo beharrt, bzw. gelangweilt aus der Reihe tanzt und mit allerlei originellem Verhalten auf sich und seine Bedürfnisse aufmerksam macht? Dieser Moritz wird es wohl nicht bis zur 9. Klasse im Gymnasium aushalten, um endlich überspringen zu können. Er wird schon vorher als nicht gymnasialtauglich aussortiert! – Können wir uns so etwas zu Gunsten der erzwungenen Homogenität leisten?
Aus welchem Grund wird am Gleichschritt festgehalten?
Was hält Lehrer / Schulen davon ab, individualisiert und altersübergreifend zu denken und zu arbeiten?
Aus welchem Grund bleiben offensive und funktionierende Konzepte wie z.B. das des Oettinger Albrecht-Ernst-Gymnasiums (http://www.gymnasiumoettingen.de) trotz höchster Besuche und Lobeshymnen “einzigartig”?
Was lässt Lehrer, die unzufrieden sind und innovative Ideen und Ansätze haben, Einzelkämpfer bleiben und was lässt sie “stillhalten”?
Was macht die ganze Schulentwicklung so träge?
Aus welchem Grund bleiben Eltern weitgehend still und ertragen das Leid ihrer Kinder – nur weil es eben so ist?
Wir verstehen einfach nicht,
… was den Glauben an altershomogene Klassen und pauschal-begießen der gesamten Klasse mit vorgekautem Wissen so hoch hält.
… was an Ziffernnoten so viel besser sein soll, als an differenzierter Rückmeldung.
… wozu absolute Vergleichbarkeit so wichtig ist! – Kinder sind doch keine maschinell gefertigten Produkte!
… warum die moderne Bildungs- und Gehirnforschung nicht beachtet wird.
… wieso Kindheit und Jugend in unserer heutigen Gesellschaft so homogenisiert werden muss!
… was es so schwer macht, alte Zöpfe abzuschneiden.
… was daran hindert, die Idee von Schule neu zu denken und den Bedürfnissen unserer Zeit anzupassen.
… warum Schüler in die Kategorien “Mittelschule”, “Realschule”, “Gymnasium”, “Förderschule” eingeteilt werden müssen!
Was wir uns wünschen?
… entdeckendes Lernen an Hand von altersrelevanten Fragen aus dem Leben und Erleben der Kinder und Jugendlichen.
… lernen mit Fragestellungen statt vorgekautes Wissen hinunterzuwürgen um es dann auf dem Altar der Noten- und Vergleichbarkeitsheiligen darzulegen.
… Erwachsene, die Kinder und Jugendliche in das Leben und Wissen hinein begleiten und ihre “Vollkommenheit” in Frage stellen können.
… Schüler zu eigenständigem Denken ermutigen und es von ihnen einfordern.
… dass Erwachsene Verantwortung leben um Kindern ein Vorbild zu sein.
… dass in Schulen Interessensgruppen an Themen arbeiten können, egal welcher “Klassenstufe” sie angehören, und dieses Wissen dann anderen Schülern und Erwachsenen präsentieren.
… dass Schüler Verantwortung übernehmen dürfen.
… dass unsere Gesellschaft den Mut aufbringt hier endlich etwas zu verändern, was längst überfällig ist und unsere gesellschaftliche Entwicklung garantiert!
… EINE Schule, in der alle Kinder und Jugendlichen so lernen können, wie es ihre individuelle Entwicklung erfordert und Lehrer, die sie je nach Bedürfnissen fördern und fordern!